Lernräume für zeitgemäßes Lernen
Neue Erkenntnisse über Lernprozesse bringen veränderte Anforderungen an Lernräume mit sich – denn der Raum selbst spielt als dritter Pädagoge eine entscheidende Rolle für vielfältige Lernmethoden und -szenarien. Flexible Settings für individuelles und projektorientiertes Lernen lassen sich in traditionellen Schulräumen oft nur schwer umsetzen. Doch viele Schulen stehen vor der Herausforderung, mit bestehenden Gebäuden einen zeitgemäßen Unterricht zu realisieren. Wie können bestehende Lernräume so angepasst werden, dass sie moderne pädagogische Konzepte unterstützen? Der Beitrag des »Universitätsverbunds digitales Lehren und Lernen in der Lehrer/-innenbildung« (digiLL) zeigt praxisnahe Lösungsansätze auf und gibt Impulse, wie Schulen ihre Räume an aktuelle und zukünftige Bildungsanforderungen anpassen können.

Ein Gastbeitrag von digiLL
Universitätsverbund digitales Lehren und Lernen in der Lehrer/-innenbildung
Im Universitätsverbund digiLL haben sich 11 Hochschulen mit ihren Zentren für die Lehrkräfteaus- und -weiterbildung zusammengeschlossen. Mit digitalen Angeboten möchte die Initiative Lehrkräfte unterstützen, Schule in der digitalen Welt zu gestalten. Hierfür werden Lernmaterialien gemeinsam entwickelt und in digitalen, frei zugänglichen Lernmodulen zur Verfügung gestellt. So entstand auch der Kurs »Lernarchitekturen« in Zusammenarbeit mit JES Socialtecture. Er wurde im Rahmen von »Schule in der digitalen Welt« – einem gemeinsamen Programm des Stifterverbands und der Heinz Nixdorf Stiftung – entwickelt.
Vier School Hacks, um Lernräume zu verändern
Mit Bordmitteln arbeiten
An vielen Schulen besteht der Bedarf, die vorhandenen Räume umzugestalten oder sie temporär an pädagogische Anforderungen anzupassen. Doch die meisten Kommunen in Deutschland können Schulen nicht neu bauen. Sie haben zum einen alte Bestandsgebäude, die kostenintensiv in der Erhaltung sind, zum anderen ein geringes Budget, welches für einen Neu- beziehungsweise Umbau nicht ausreicht, sowie wachsende Bedarfe, die kurzfristig umgesetzt werden sollen.
Die vier hier vorgestellten School Hacks sind Anregungen, wie Sie mit relativ geringen Mitteln Lernräume verändern können. Die zur Umsetzung benötigten Materialien sind meist kostengünstige »Bordmittel«, die Ihnen eine realistische und pragmatische Umsetzung ohne architektonisches und bauliches Fachwissen ermöglichen. Viele der Hacks können Sie im Rahmen des Unterrichts oder in einer Projektwoche der Schule gemeinsam mit und durch die Schülerinnen und Schüler umsetzen. Diese Teilhabe schafft eine wichtige Identifizierung mit der jeweiligen räumlichen Maßnahme und der Schule im Allgemeinen. Sie verbessert das Heimat- und Gemeinschaftsgefühl. Bei allen School Hacks sollten Sie die Arbeitsstättenrichtlinie beachten und den Brandschutz gewährleisten.
1. Klassenzimmer: individualisiertes Lernen ermöglichen
School Hack: kleine Lernlandschaft
Wie schaffe ich Orte für Schülerinnen und Schüler, die ihrer Art zu Lernen entsprechen?
- Zeitaufwand: hoch
- Kosten: moderat
Was ist das Problem?
- keine differenzierten Orte, die Lern- und Lehrangebote (Lernmethodik) räumlich unterstützen beziehungsweise ermöglichen
- keine Möglichkeit tagesabhängige Bedarfe mit Raumangebot zu unterstützen: offener Ganztag
Was wird gemacht?
- baulich unterschiedliche Orte (Tribüne, Teppich, Vorhang, Schrankwand mit unterschiedlichen Funktionen) für differenzierte Lern- und Lehrangebote schaffen
- Schrankwand mit verschiedenen Funktionen (Sitzplätze, »Höhle« oder »Kuschelecke«, Spielecke oder -haus) einbauen
Was wird benötigt?
- Mobiliar: Holz, Holzkisten oder -boxen, Stehtische, Trennwände
- transluzente oder lichtdichte, schwere Vorhänge (geräuschmindernd)
- Teppiche oder Matten, Pflanzen
Was bewirkt es?
- räumliche Unterteilung des Klassenzimmers in (Themen-)Bereiche: Input (unter anderem Präsentation), »Marktplatz« (Austausch, Begegnung), Recherche, Einzel- oder Gruppenarbeit
- unterschiedliche Höhen und Standpunkte (»Ausblick«) im Raum
Was ist noch möglich?
- Anpassungsfähigkeit an tagesabhängige Bedarfe: Regelunterricht, offener Ganztag
-
Plateau mit raumtrennender Wand und Tisch für unterschiedliche Körperhaltungen (Sitzen, Liegen, Stehen) und Lernmethoden -
kleine Sitztribüne für Input-Einheiten oder Präsentationen für Kleingruppe, Stauraum unter der Sitzfläche -
transluzente Vorhänge als Raumtrenner, Teppiche zum Sitzen und Liegen, »Marktplatz«: Stehtisch für kurze Input-Einheiten -
Schrankwand mit versteckten Funktionen (Ganztag)
Fachraum: theoretisches Wissen praktisch erproben
School Hack: mobile Making-Werkstatt
Wie können Schülerinnen und Schüler erworbenes theoretisches Wissen in Praxis umsetzen?
- Zeitaufwand: moderat
- Kosten: hoch
Was ist das Problem?
- fehlende Übersetzung von theoretischen und teils digitalen Inhalten in physische Modelle (»hands on«)
- Schülerinnen und Schüler abholen, die Schwierigkeiten haben, die Theorie zu verstehen
- Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Werkzeugen sowie technischen Geräten in der Schule
Was wird gemacht?
- Geräte werden auf Tischen mit Rollen (Wagen) befestigt.
- Mobile Einzelarbeitsplätze entstehen.
Was wird benötigt?
- Technische Geräte werden auf rollbare Tische oder Wagen montiert: Produktions- beziehungsweise Experimentiertisch (»mobiles Labor«, digitale Fabrikation).
Was bewirkt es?
- Lehrende können technische Geräte schnell und barrierefrei in ihren Unterricht integrieren.
- Schülerinnen und Schüler erhalten einen schnellen Transfer ihrer erworbenen Theorie beziehungsweise theoretischen Ideen in gebaute Modelle, an denen sie die Theorie praktisch ausprobieren, testen oder modellieren können.
- Selbstständigkeit und selbstständiges Denken werden gefördert.
- Geräte kommen zu den Lernenden beziehungsweise in das Klassenzimmer, wo produziert werden soll.
- Technische Geräte können ortsunabhängig auf dem Schulgelände genutzt werden.
- Theorieverständnis wird unterstützt und handwerkliches Geschick gefördert.
Was ist noch möglich?
- Ein separater Werkstattraum wird nicht benötigt und ist nicht nur von einer Klasse oder Gruppe belegt: Mehr Geräte können gleichzeitig zum Einsatz kommen und genutzt werden.
Schulhof: Schule öffnen zum Lernen im Draußen
School Hack: Außenklassenzimmer
Wie können wir die Lernumgebung praxisnaher gestalten?
- Zeitaufwand: moderat
- Kosten: moderat
Was ist das Problem?
- Schülerinnen und Schüler lernen und arbeiten meist in »isolierten« (klassischen) Klassenräumen ohne jeglichen Außen- / Realitäts- / Praxisbezug
- überwiegend eindimensional medial vermitteltes Wissen
- fehlender naturnaher Unterricht
Was wird gemacht?
- Schülerinnen und Schüler verlassen bekannte Lernumgebung; »Ortswechsel« durchführen: Lernraum im Freien mit Tageslicht herstellen
- Natur, Luft und Licht zugänglich machen
Was wird benötigt?
- Sitz-, Steinkreis oder ähnliches mit hoher Aufenthaltsqualität (beispielsweise Amphitheater), gegebenenfalls feste Schreibunterlagen oder Tische
- Pflanzen, Kies oder Sand, Sonnensegel oder Verschattungselemente
Was bewirkt es?
- Lernende erhalten Perspektivwechsel und Praxisbezug durch Verlassen der bekannten Lernumgebung: Begegnung von fachlichen Inhalten mit der Lebenswirklichkeit; ganzheitlich gewonnene, persönliche Erfahrungen; implizites Lernen findet statt
- Lehrinhalte mit thematischem Außenbezug profitieren: Gegenstände, Prozesse und natürliche Verhältnisse können nur im natürlichen Umfeld beobachtet und in Zusammenhang gebracht werden
Was ist noch möglich?
- Bereich ausweiten und im Sinne der Naturpädagogik den naheliegenden Wald als erfahrbaren Naturraum mit den Themenfeldern Pflanzen, Tiere und Gewässer zugänglich machen
- Schul- oder Gemüsegarten mit einbeziehen, in der Nähe verorten
-
Außenklassenzimmer im nahegelegenen Wald mit festen Tischen und Stühlen sowie Tafel -
Sitzkreis aus Strohballen unter begrünter Pergola angrenzend an Schulgarten -
Amphitheater mit mobilen Sitzgelegenheiten für flexible Unterrichtsgestaltung -
Grünes Klassenzimmer mit mobilen Einzel- und Kleingruppenarbeitsplätzen unter Sonnensegel
Flur: unbelebte Fläche als vielseitigen Lernort nutzen
School Hack Sitztreppe
Wie können wir unsere Treppen (temporär) noch besser im Schulalltag nutzen?
- Zeitaufwand: moderat
- Kosten: gering
Was ist das Problem?
- Treppe, Verkehrsfläche, »Transitort« ist ungenutzt oder unbelebt
Was wird gemacht?
- Holzkiste bauen, hoch wie eine Setzstufe, drei Kisten je Tisch benötigt
- passende Tischplatte anfertigen
- Folie bedrucken lassen/tapen
Was wird benötigt?
- Kisten (Holz, Schrauben oder Nägel)
- Tischplatte
- Kissen
- Stifte oder Farben
- Klebefolie
Was bewirkt es?
- Schülerinnen und Schüler bewegen sich mehr
- Lernende haben einen Treffpunkt, wo sie mehr Platz zum Sitzen, Spielen, »Chillen«, Arbeiten haben
- trägt zu Verbesserung des individuellen Lern-/Lehrprozesses bei: vielseitiger Lern- und Arbeitsort
Was ist noch möglich?
- Setz- oder Trittstufen mit Lerninhalten bemalen, bekleben, betapen: Formeln, Merksätze, Zitate, 1×1, Schulregeln, Bilder, Grafiken usw.
- Arbeiten der Schülerinnen und Schüler auf den Tischen präsentieren oder aufstellen: Vernissage
Zum Weiterlesen
Alle vier School Hacks sind ein Auszug aus dem Online-Kurs »Lernarchitekturen« des digiLL-Verbunds. Den gesamten Kurs mit weiteren Hacks finden Sie auf der Seite der Universität zu Köln/Zentrum für Lehrer*innenbildung:
Der Kurs entstand in Zusammenarbeit von digiLL und JES Socialtecture. Er wurde im Rahmen von »Schule in der digitalen Welt« – einem gemeinsamen Programm des Stifterverbands und der Heinz Nixdorf Stiftung – entwickelt.
Weitere Angebote im Hybriden Lernraum
Hybrider Lernraum
Der Beitrag ist Teil des Hybriden Lernraums. Hier finden Sie für Ihre Arbeit in Schule oder an außerschulischen Lernorten Informationen und Praxistipps aus Wissenschaft und Praxis – als Texte, Methoden, Podcasts, Videos oder Workshops.
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