Zum Podcast mit Hartmut Rosa und der Bonner Hedwigschule
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Schule als Resonanzraum
Wann gelingen Bildungsprozesse? Wie können Schulen zu Orten der Talententfaltung werden? Zu Orten, an denen Lehrende und Lernende gerne zusammenkommen – die für inspirierendes Lernen und gegenseitige Wertschätzung stehen?
In der ersten Folge unseres Podcasts hören wir Deutschlands bekanntesten Soziologen Prof. Dr. Hartmut Rosa zum Thema »Schule als Resonanzraum«. Für ihn braucht es Schulen, die nicht Entfremdungszonen, sondern Resonanzräume sind. Bildungsjournalist Armin Himmelrath diskutiert im Podcast gemeinsam mit Julia Nadine Braun-Klein und Luca Friedrich von der Bonner Hedwigschule das Konzept von Schule als Resonanzraum in der Praxis und geht der Frage nach, ob Lehren und Lernen in Resonanzbeziehungen in jeder Schule umsetzbar ist.
Das Gespräch führt Armin Himmelrath
Armin Himmelrath hat Sozialwissenschaften und Germanistik in Wuppertal und Beer Sheva (Israel) studiert. Er arbeitete als freier Bildungs- und Wissenschaftsjournalist u. a. für den WDR, den Deutschlandfunk, die »Süddeutsche Zeitung« und Spiegel Online sowie als Moderator und Buchautor. Seit 2018 ist er Bildungsredakteur beim »Spiegel«, außerdem weiterhin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Moderator und Reporter aktiv.
Unsere Gäste
Julia Nadine Braun-Klein
Luca Friedrich
Hartmut Rosa
Schule als Resonanzraum
»Musik mag ich nicht« oder »Mathe kann ich nicht«: Für den Soziologen Hartmut Rosa stehen solche Sätze stellvertretend für Schulen in der Entfremdungszone. In Entfremdungszonen kommt das Lernen zum Stillstand. Damit Talente sich entfalten und Schülerinnen und Schüler erfolgreich lernen können, braucht es das Gegenmodell: Resonanzräume. Resonanzräume entstehen, wenn Jugendliche sich für Themen begeistern und das Gefühl haben, selbst etwas bewegen zu können. Erfahrungen in der Selbstwirksamkeit können das wichtige Tor im Fußballspiel sein, die tragende Stimme im Chor oder der Beitrag beim Programmieren. Wenn Selbstwirksamkeitserwartungen und -erfahrungen im Flow sind, entsteht Resonanz, entstehen Resonanzräume.
Angst und Konkurrenzdenken sind Resonanzraum-Killer. Lernorte, in denen Vertrauen, Humor und die Idee der »Ermöglichung« gelebt werden, haben dagegen gute Chancen, zu Resonanzräumen zu werden. In solchen Räumen können Jugendliche sich ausprobieren, ihre Fähigkeiten entdecken und Persönlichkeit entfalten.
Wer als Schüler oder Schülerin an der Bonner Hedwigschule startet, kommt mit dem Stempel »Hauptschule« und der Erfahrung »Ich kann ja nichts«. Die Jugendlichen erleben Schule dann zunächst als Entfremdungszone. Die Hedwigschule, so Julia Nadine Braun-Klein, Klassenlehrerin der 5b, versucht diesen Schülerinnen und Schülern Resonanzräume zu eröffnen. Der Grundstein wird gelegt im persönlichen Interesse an den Jugendlichen und im Aufbau von Vertrauen.
Mit Angeboten, wie zum Beispiel dem Projekt »Be Active«, werden in Sankt Hedwig Ermöglichungsräume gestaltet. In »Be Active«, erklärt Luca Friedrich, Mitglied im multiprofessionellen Team der Hedwigschule, recherchieren die Jugendlichen Themen, die ihnen am Herzen liegen und arbeiten an ihrer Umsetzung. Aktuell ist es ein Theaterstück zum Thema »Toleranz«.
Um Schulen zu Resonanzräumen zu machen, ist aber nicht nur der Blick auf die Schülerinnen und Schüler wichtig. Auch das Schulteam muss sich als selbstwirksam und als Teil des Resonanzraums erleben können. An der Hedwigschule gibt es hierfür einen Ort und einen Zeitpunkt: Jeden Donnerstag steht nach Unterrichtsende im Jour Fixe der gemeinsame Austausch und die Unterstützung im Kollegium auf dem Stundenplan.
Zusammenfassung des Vortrags
Voraussetzungen für Resonanzgeschehen
- Affizierung (»Das geht mich was an«)
- Selbstwirksamkeit (»Ich kann was bewegen«)
- Transformation (»Ich kann etwas verändern« – »Ich verändere mich im Prozess«)
- Unverfügbarkeit (Resonanz lässt sich nicht erzwingen, aber Rahmenbedingungen lassen sich dafür schaffen)
Voraussetzungen, damit Resonanz in Gang kommt
- Bereitschaft, sich berühren zu lassen
- Räumliche Voraussetzungen (es braucht Raum; gut: Naturraum statt Betonraum)
- Zeitliche Voraussetzungen (kein Zeitdruck)
- Gemeinschaft (Konkurrenzdruck vermeiden, gute Sozialbeziehungen)
- Safe Place (angstfreie Räume, Akzeptanz, Fehlerkultur)
- Wechselseitiges Vertrauen (Vertrauensvorschuss, Verantwortung übertragen)
- Humor (fehlertolerante Grundhaltung, nutzen für Auflösen von Verhärtungen)
Praxisimpulse
Überlegen Sie sich:
- Worauf freue ich mich in meiner Schule, in meinem Lernort?
- Was berührt mich? Wo bin ich selbst in Resonanz?
- Mit welchen Erwartungen gehe ich in meine Klasse?
- Welche Erfahrungen mache ich – erreiche ich meine Schülerinnen und Schüler? Kann ich sie begeistern?
- Welche Selbstwirksamkeitserwartungen und -erfahrungen gibt es auf Seiten der Schülerinnen und Schüler?
- Wie kann ich Ermöglichungsräume schaffen? Wo kann ich Mitgestaltung durch die Kinder oder Jugendlichen ermöglichen?
- Wie kann auch das Lehrerzimmer zu einem Resonanzraum werden – welches gemeinsames Verständnis braucht es dafür?
- Wie kann ich einen Resonanzraum gestalten in Kontakt mit den Eltern?
Zum Weiterlesen
Beljan, Jens mit einem Vorwort von Hartmut Rosa: Schule als Resonanzraum und Entfremdungszone. Eine neue Perspektive auf Bildung. Beltz Juventa, 2019.
Bismarck, Kristina; Beisbart, Ortwin (Hrsg.): Resonanzpädagogischer Deutschunterricht. Lernen in Beziehungen. Mit einem Vorwort von Hartmut Rosa. Beltz 2020.
Endres, Wolfgang: Resonanzpädagogik in Schule und Unterricht. Von der Entdeckung neuer Denkmuster. Beltz, 2020.
Rosa, Hartmut; Endres, Wolfgang: Resonanz im Klassenzimmer. 48 Impulskarten zur Resonanzpädagogik mit 16-seitigem Booklet. Beltz, 2017.
Rosa, Hartmut Rosa; Endres, Wolfgang: Resonanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer knistert. Beltz, 2016.
Downloads
Potenzialverstärker – Folge 1
Mit unserem Podcast »Potenzialverstärker« sind wir zu Gast in Schulen und außerschulischen Lernorten – immer mit den Fragen: Wie machen es die anderen? Wie gelingt es ihnen, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, das Beste aus ihren Fähigkeiten zu machen? Was sagt die Wissenschaft und welche Wege geht die Praxis?
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