Potenzialentdecker
Lernerfolg hängt von vielen Faktoren ab – auch davon, welche Haltung Lehrerinnen und Lehrer gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern einnehmen und mit welchem Selbstverständnis sie junge Menschen dabei unterstützen, eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erkennen und zu entfalten. Wir haben mit Jan Willert darüber gesprochen, inwieweit Begabungsförderung mit Haltung und Mut zu tun hat und welche Rolle Frei-Räume und außerschulische Förderangebote für die Talententfaltung spielen.
Jan Willert
Jan Willert unterrichtet an der CJD Christophorusschule Rostock Deutsch, Englisch und Darstellendes Spiel. Zugleich leitet er den Fachbereich Englisch seiner Schule, an der fast 1.200 Schülerinnen und Schüler lernen. Eine seiner Englischklassen gewann mit dem Videobeitrag »A girl like(s) you« den Bundeswettbewerb Fremdsprachen 2021. Er plädiert für eine Haltung, die von Mut zur Kreativität und neuen Unterrichtsmethoden geprägt ist.
jan.willert@cjd.deIch wünsche mir, dass Lehrkräfte sich bewusst machen, wie sehr von ihrer Einstellung das Entdecken und Fördern der Begabung Jugendlicher abhängt.
Im Gespräch mit Jan Willert
Herr Willert, warum sollten Lehrkräfte auch Potenzialentdecker sein?
Es ist gut und richtig, allen Kindern Grundlagen beizubringen, damit sie sich später zurechtfinden. Aber was kann wichtiger sein als die Frage, worin ein Mensch gut ist oder was er oder sie gerne macht? Wer schon in dieser frühen Lebensphase erspürt, was man ausprobieren kann, geht aus der Schule mit einer Vorstellung, wie das restliche Leben aussehen soll. Es ist andersherum immer wieder schade, wenn ich Oberstufenkurse bekomme und dort junge Menschen sehe, die innerlich ein wenig hadern oder verzweifeln, weil sie überhaupt nicht wissen, was sie jetzt machen sollen. Im Umkehrschluss bedeutet das für mich: Irgendetwas haben wir nicht gut genug gemacht. Wir haben es dann offensichtlich verpasst, diesen Menschen zu zeigen, was man mit dem Leben anfangen kann, und ihnen damit letztlich Zeit geraubt. Mein Wunsch ist deswegen, dass die Kinder ihre Fähigkeiten erkennen und ich als Lehrer wiederum erkenne, welche Begabungen jeder und jede Einzelne hat, um dann das eine oder andere anzustoßen.
Wie kann das gelingen?
Ich bin der Meinung: In erster Linie brauchen Kinder und Jugendliche Zeit und Raum, den wir Lehrkräfte ihnen geben müssen. Dafür wiederum brauchen wir Lehrerinnen und Lehrer den Mut, dass die Umsetzung des Rahmenlehrplans nicht die ganze Zeit unseres Unterrichts in Anspruch nimmt. Denn dann fehlt uns die Zeit für das Kreative, das Schöne, für das »Sich-Raum-Lassen«. Sonst verlieren wir den Mut, außer der Reihe an Wettbewerben oder Projekten teilzunehmen oder solche zu initiieren. Und da wünsche ich mir von uns allen, dass wir uns gegenseitig deutlich kommunizieren – von ganz oben im Ministerium angefangen: Wir haben diese Räume und wollen diese geben, und alle, die in der Schule arbeiten, sollen mutig und zuversichtlich sein trotzdem das im Lehrplan Geforderte leisten zu können. Das ist meiner Meinung nach ganz klar eine Frage der Haltung.
Haben Sie ein Beispiel, wie solche Frei-Räume aussehen können?
Ich bin jemand, der sehr gerne liest und schreibt. Und diese Begeisterung für das Lesen und Schreiben trage ich auch in die Schule. Als ich hier anfing, wunderte ich mich, dass es an der Schule zum Schreiben keine besonderen Angebote gab. Daher rief ich den jungen Literaturwettbewerb »HOCHSTABLER« ins Leben und baute ein Netzwerk auf, um die außerschulische Literatur, wie zum Beispiel Theaterbühnen, Buchläden oder Bibliotheken, in die Schule zu holen. Denn ich wollte den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, selbst zu schreiben und dazu von Menschen Rückmeldung zu bekommen, die in diesem Feld beruflich arbeiten.
Wie war die Resonanz?
Die Resonanz war und ist enorm. Aus meiner letzten Abiturklasse bekam ich liebe und dankbare Rückmeldungen. Das Schönste für mich war, dass eine Schülerin mir schrieb, sie hätte eine Klassenarbeit der neunten Klasse, auf der ich am Rand so etwas schrieb wie »schreibe, bitte schreibe«, damals ihrem Vater gezeigt. Und ihr Vater heftete diese Klassenarbeit zu den Urkunden und Zeugnissen seiner Tochter, wo das Dokument bis heute ist. Sie war mir für diesen Impuls sehr dankbar, in ihr das Schreiben geweckt zu haben, was sie seitdem leidenschaftlich gerne macht.
Sie haben vorhin »Mut« angesprochen: Welche Haltung braucht es, um Jugendliche zu unterstützen, ihre Potenziale zu entfalten und erfolgreich zu sein?
Wenn wir den Schülerinnen und Schülern das Gefühl geben, man arbeitet an ihren Ideen, sind sie besonders erfolgreich. Mein Selbstverständnis ist jedenfalls, dass ich nicht die Wahrheit, das eine Richtige mitbringe, sondern ein Angebot mache, dem die jungen Menschen nachgehen: ausgehend von ihrem Impuls, ihrer Problemfrage oder dem, was sie interessiert. Sie brauchen dann von mir nur die Gewissheit, dass ich sie auf diesem Weg unterstütze und dass das, was am Ende rauskommt, dem entspricht, was für die Schule, das Unterrichtsgeschehen notwendig ist.
Und umgekehrt: Welche Haltung sollten die Schülerinnen und Schüler mitbringen?
Schülerinnen und Schüler sollten Anstrengungsbereitschaft mitbringen, um Erfolgserlebnisse zu haben. Das gelingt umso besser, wenn sie der Überzeugung sind und spüren: Meine eigene Arbeit ist etwas wert. Das, was ich mache, verpufft nicht, läuft nicht ins Leere. Es endet nicht mit dem Klingelzeichen, sondern wird von irgendwem irgendwo gesehen. Sie brauchen das Gefühl: Was ich hier übe, bereitet mich darauf vor, in einem größeren Kontext oder später genau von dem zu zehren, was ich jetzt gerade als Kompetenz erwerbe.
Sie haben die »Teilnahme an Wettbewerben« genannt. Sie selbst haben mit Ihren Schülern und Schülerinnen bereits erfolgreich am Bundeswettbewerb Fremdsprachen teilgenommen. Welche Rolle spielen Wettbewerbe bei der Talententfaltung?
Außerschulische Angebote wie die von Bildung & Begabung sind sinnvolle Ergänzungen, weil diese Angebote vieles von dem bereithalten, was ich mir vom Unterricht wünsche. Ich setze den Impuls, und der Bundeswettbewerb Fremdsprachen beispielsweise gibt den Schülerinnen und Schülern Freiheiten, wie sie diesem Impuls nachgehen. Am Ende muss ein Film, also ein bestimmtes Produkt erstellt sein. Aber wie dieses Produkt aussieht, welches Thema die Gruppe sich gibt, womit sie sich befasst, das steht ihr frei. Ich habe diesen Wettbewerb genau als das gesehen: als Chance, Schülerinnen und Schüler mal eine Geschichte erzählen zu lassen, die sie für notwendig halten. Ich mische mich nicht ein, koordiniere, berate, strukturiere und organisiere nur, damit sich am Ende der Erfolg einstellt. Verrückterweise haben wir den Wettbewerb 2021 im Distanzunterricht gewonnen. Das erfüllt mich, und ich merkte wieder, dass ich als Lehrer einen tollen Beruf habe.
Angebote im Begabungslotsen rund um die Persönlichkeitsbildung – Beispiele
Zahlreiche Förderangebote für Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen und Schulformen eröffnen jungen Menschen Frei-Räume, ihre eigenen Interessen zu erkunden, ihre Potenziale zu finden und zu entfalten. Einige Beispiele stellen wir Ihnen hier vor.
Weitere Angebote und Informationen für Schülerinnen und Schüler
Eine Vielzahl weiterer Wettbewerbe, Akademien, Hochschulangebote, Schülerlabore, Praktika, Mentoring-Programme oder Stipendien finden sich in der Datenbank des Begabungslotsen, die sich an Schülerinnen und Schüler verschiedener Altersstufen richten, um sie darin zu unterstützen, eigene Interessen auszuloten und zu vertiefen. Wir haben eine erste Suchanfrage nach Förderangeboten erstellt. Verfeinern Sie die Suche nach Kategorie, Zielgruppe, Fach oder Ort:
Auf unseren Zielgruppen-Seiten und Landing-Pages bieten wir neben Angeboten noch zusätzliche, begleitende Informationen zu einem bestimmten Thema.
Hybrider Lernraum
Der Beitrag ist Teil des Hybriden Lernraums. Hier finden Sie für Ihre Arbeit in Schule oder an außerschulischen Lernorten Informationen und Praxistipps aus Wissenschaft und Praxis – als Texte, Methoden, Podcasts, Videos oder Workshops.
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