Interview mit Fynn Kessels, Schüler der Klassenstufe 11 am Carl-Zeiss-Gymnasium Jena
Fynn Kessels hat in den vergangenen Jahren mehrfach sehr erfolgreich an vorrangig mathematischen und naturwissenschaftlichen Schülerwettbewerben auf Bundes- und internationaler Ebene teilgenommen und berichtet im Interview über seine Erfahrungen in Thüringen.
Fynn, hat Deine Förderung bereits im frühkindlichen Bereich begonnen? Warst Du zum Beispiel in einer Kita, die von der Initiative „Thüringen – Land der kleinen Forscher“ unterstützt wird?
Nein, ich bin in ganz normale Kitas gegangen – erst in Magdeburg, dann in Jena. Allerdings waren in der Kita in Jena ausgedehnte Aufenthalte im Wald Teil des wöchentlichen Programms und ich hatte dabei immer Spaß.
Auf welche Grundschule bist Du dann gegangen? Welche Erfahrungen hast Du dort gemacht? Wurdest Du individuell gefördert?
Ich war in Jena zunächst zwei Jahre auf der bilingualen Grundschule Dualingo und ich habe dort zumindest in Englisch eine sehr intensive und individuelle Förderung erfahren. Dann war ich in der 3. und 4. Klasse auf der staatlichen Grundschule Schule am Rautal. Das war eigentlich eine ganz normale Grundschule. Allerdings hat sie zum Beispiel regelmäßig an einigen Wettbewerben teilgenommen, wie zum Beispiel »HEUREKA und Carlchens Knobelwettbewerb« – das ist ein naturwissenschaftlicher Wettbewerb der 4. Klassen, den das in der Nachbarschaft liegende Carl-Zeiss-Gymnasium jährlich ausrichtet.
Hast Du Dich schon im Grundschulalter (oder früher) für bestimmte Themen oder Fächer interessiert?
Ich habe mich eigentlich immer schon für Tiere und Zahlenspielereien aller Art begeistert. Als ich zum Beispiel noch ganz klein war, hatten meine Eltern Jahreskarten für den Zoo in Magdeburg – entsprechend häufig waren wir da. Vermutlich hat mich das geprägt, ohne dass ich mich daran aktiv erinnern kann.
Welche weiterführende Schule hast Du besucht? Warum bist Du gerade auf diese Schule gegangen?
Von der Grundschule bin ich auf das Carl-Zeiss-Gymnasium in Jena gewechselt. Dort gibt es ab der Klassenstufe 9 mathematisch-naturwissenschaftliche Spezialklassen. Ich bin auf diese Schule gegangen, weil ich erwartet habe, dass das meinen Interessen in Mathe und Naturwissenschaften entgegenkommen würde. Witzigerweise war die Förderung, die mir dann am Anfang wirklich aufgefallen war, die zusätzliche Zeit in Englisch – und gar nicht in Mathe oder irgendeiner Naturwissenschaft.
Inwieweit haben die Schule, der individuelle Unterricht, die Lehrkräfte, der Geist der Schule oder die Mitschüler Dich bestärkt, einen bestimmten Weg einzuschlagen?
In Mathe muss ich eigentlich sagen, dass mich nur der Hinweis der Lehrer auf den Adam-Ries-Wettbewerb und auf die Mathematik-Olympiade auf den Weg gebracht haben. Im normalen Mathematikunterricht war ich eigentlich zunächst meist zu langsam und zu unkonzentriert und daher nie Spitze – allerdings habe ich dann den Adam-Ries-Wettbewerb in Klasse 5 als bester deutscher Teilnehmer mit dem 2. Preis abgeschlossen und ein Jahr später auch die Landesrunde der Mathe-Olympiade. Seitdem habe ich in Mathe jedes Jahr an verschiedenen Wettbewerben immer mit großem Erfolg teilgenommen.
In den Naturwissenschaften hat mich die zusätzliche Förderung, die es am Carl-Zeiss-Gymnasium gibt, von Anfang an wesentlich vorangebracht und motiviert, auch hier an Wettbewerben teilzunehmen. Hier waren auch meine Mitschüler von wesentlicher Bedeutung, einfach weil es bei uns in der Klasse mehrere Leute gibt, die sich für so etwas interessieren und man dann nicht das Gefühl hat, der totale Freak zu sein.
Welche außerschulischen Angebote hast Du wahrgenommen, um Deine Interessen zu vertiefen und mit anderen Jugendlichen zusammen zu sein, die ähnliche Interessen teilen?
Es waren vor allem die vielen Wettbewerbe, die mich begeistert haben und wo ich auch immer viele nette Leute kennengelernt habe – die man zum Teil über die Jahre auch immer wieder mal trifft. Zu diesen Wettbewerben gehören dann in höheren Ausscheidungsrunden auch begleitende Camps, die von den Landesbeauftragten zum Beispiel in Mathematik, Chemie, Biologie und Physik organisiert werden. Das Programm Jugend trainiert Mathematik von Bildung & Begabung war eine besondere Herausforderung, die mich über viele Jahre sehr vorangebracht hat. Allerdings hatte ich in manchen Jahren echte Schwierigkeiten, das alles zeitlich unter einen Hut zu bringen.
Auch die KinderUni, die die Universität Jena anbietet, habe ich einmal mitgemacht.
Welche Menschen haben Dich auf Deinem Lebens- und Ausbildungsweg inspiriert und begleitet?
Mich haben insbesondere meine Eltern inspiriert, die immer versucht haben, meine verrückten Fragen zu beantworten und es auch immer für völlig normal halten, dass man solche Fragen überhaupt hat, da sie beide Wissenschaftler sind.
Auch möchte ich meinen Lehrern danken, die durch interessanten und abwechslungsreichen Unterricht entscheidend zu meinem Interesse für die Naturwissenschaften beigetragen und mir meine Fragen nach tieferen Hintergründen beantwortet haben. Sie und auch viele Lehrer in anderen Fächern haben mich immer unterstützt.
Wenn Du zurückblickst, Fynn: Gibt es etwas, was für Dich hätte besser laufen können? Was schulisch, außerschulisch besser auf Dich hätte zugeschnitten sein können? Hätte vielleicht die Familie mehr Unterstützung gebraucht?
Organisatorisch und finanziell ist bei den Wettbewerben für alles gesorgt und daher gibt es dort für niemanden irgendwelche Hürden und man braucht da auch keine weitere Unterstützung. Das sind einfach tolle Chancen.
Schulisch muss ich sagen, dass ich gerade am Anfang das Gefühl hatte, dass die Aufmerksamkeit für Schüler mit bestimmten oder auch sehr breiten Begabungen nicht sehr ausgeprägt ist. Meist spielen sich diese Leute ja auch nicht sonderlich in den Vordergrund. Das macht es für Lehrer vielleicht schwerer, aber da würde ich mir mehr Angebote wünschen.
Schwierig ist auch immer, den verpassten Unterrichtsstoff nachzuholen, wenn man zum Teil wochenlang auf Wettbewerben und Vorbereitungscamps unterwegs war. Da weiß ich es echt zu schätzen, wenn Mitschüler und Mitschülerinnen mir Informationen und Materialien zukommen lassen – ohne diese nette Hilfe wäre ich wirklich aufgeschmissen, weil manche Lehrer erstaunlich wenig Nachsicht zeigen, wenn ich länger mal nicht da bin. Auf den Wettbewerben habe ich viele Leute kennengelernt, die ähnliche Probleme haben. Da würde ich mir mehr Verständnis und Unterstützung wünschen. Zum Beispiel könnte man ja die jetzt aufgrund der Corona-Pandemie erprobten digitalen Formate nutzen, um Lerninhalte für abwesende Schüler verfügbar zu machen. Andere Lehrer dagegen honorieren mir auch mal eine außerschulische Leistung und zeigen zum Beispiel terminlich Entgegenkommen bei zu erbringenden Leistungen in der Schule. Darüber freue ich mich dann wirklich.
Ein kleiner Ausblick: Wie geht es weiter? Welches nächste Ziel steht bei Dir an, Fynn?
Meine Ziele für dieses Jahr waren eigentlich, wieder bei der Mathematik-Olympiade in Deutschland erfolgreich zu sein und mal bei den Internationalen Olympiaden in Biologie, Chemie und Physik sowie bei der EUSO (European Union Science Olympiad) mitzumachen. Da bin ich den Winter über auch gut durch die ersten beiden Ausscheidungsrunden gekommen, aber jetzt sind sowohl Vorbereitungscamps als auch die weiteren Runden abgesagt oder zumindest ausgesetzt. Da muss man jetzt abwarten, ob daraus noch etwas wird.
Ansonsten habe ich – da ich ja erst im nächsten Jahr Abi machen werde – nächstes Jahr noch ein letztes Mal die Chance dort teilzunehmen. Da treffe ich dann landes- und bundesweit hoffentlich Leute wieder, die ich in den letzten Jahren als sehr nett kennengelernt habe und gerne wiedersehen würde und habe ja vielleicht darüber hinaus sogar einmal die Chance, internationales Flair zu genießen und Leute aus ganz anderen Kulturkreisen kennenzulernen. Das wäre einer meiner Träume für nächstes Jahr.
Herzlichen Dank und alles Gute, Fynn!